Der Wissenschaftliche Klimabeirat der Hessischen Landesregierung zeigt sich besorgt angesichts einer Meldung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die Landesregierung rein elektrische Fahrzeuge nach und nach durch Hybridmodelle ersetzt. Die Abfrage zeigt, dass der Verkehrsminister, der für Klimaschutz zuständige Landwirtschaftsminister und der Wissenschaftsminister ihre Dienstwagen von E-Fahrzeugen auf Hybridfahrzeuge rückumstellen. Allein die Sozialministerin möchte bei einem E-Fahrzeug bleiben. Die weiteren Ministerinnen oder Minister setzen laut des FAZ-Berichts auf Hybrid-, Benzin- oder Dieselmodelle.
„Das ist ein Rollback beim Klimaschutz. Hessen wird so seiner proklamierten Vorbildrolle nicht gerecht”, erklärte Prof. Sven Linow, Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Klimabeirates der Hessischen Landesregierung. Angesichts der Dringlichkeit, den Hochlauf der Elektromobilität in Hessen zu fördern, sei das ein falsches Signal. „Elektro-Pkw weisen das geringste Treibhauspotenzial auf und sind im Bereich der Effizienz damit Benzin- und Diesel-Pkw, anderen Alternativen sowie insbesondere Hybridantrieben überlegen“, erklärte Prof. Linow. Es dürfe nicht suggeriert werden, dass E-Dienstwagen nicht
praktikabel seien. „Zahlreiche Unternehmen stellen bereits ihren gesamten Fuhrpark auf 100 Prozent elektrisch um, auch eine Landesregierung, die per Hessischem Klimagesetz verpflichtet ist, eine Vorbildrolle beim Klimaschutz einzunehmen, muss hier vorangehen“, so Prof. Linow.
Eine umfangreiche Analyse der Umweltbilanz von Fahrzeugen, die das Umweltbundesamt im Februar 2024 veröffentlicht hat, zeigt auf, dass batterieelektrischen Fahrzeugkonzepte für alle Fahrzeugtypen und Baujahre die überlegene Lösung bezüglich der Treibhauswirkung und des kumulierten Energieaufwandes sind. Analysiert wurden dabei nicht nur die Umweltwirkungen je gefahrenem Kilometer, sondern auch die Fahrzeugherstellung, -nutzung, -wartung und -entsorgung und die Bereitstellung von synthetischen, biogenen und fossilen Kraftstoffen und Fahrstrom.
Verkehr größter Emittent in Hessen
Der Verkehr ist für 37,6 Prozent der Treibhausgasemissionen in Hessen verantwortlich. „Im Verkehrssektor besteht somit ein besonders hoher Handlungsdruck, um die gesetzlich verpflichtenden, hessischen Klimaziele zu erreichen“, erklärte Prof. Martin Lanzendorf, Mitglied des Klimabeirates und Professor für Mobilitätsforschung an der Goethe-Universität Frankfurt. Die E-Mobilität sei neben der Förderung des ÖPNV, des Rad- und Fußverkehrs einer der zentralen Bausteine, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. „Hier sind Fortschritte statt
Rückschritte dringend notwendig“, so Prof. Lanzendorf.
„Gerade die Landesregierung sollte ihrer Vorbildrolle gerecht werden. Nur so kann die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung gesteigert werden“, ergänzte Prof. Flurina Schneider, Mitglied des Wissenschaftlichen Klimabeirates und Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE).
Hintergrund:
Der Wissenschaftliche Klimabeirat ist das Beratungsgremium der Hessischen Landesregierung für Klimaschutz und Klimaanpassung. Fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind in das Gremium berufen. Der Beirat ist in seinen Empfehlungen unabhängig. Folgende Professorinnen und Professoren sind Mitglied des wissenschaftlichen Klimabeirats:
- Prof. Dr. Ulrike Jordan (Universität Kassel, Solar- und Anlagentechnik)
- Prof. Dr. Martin Lanzendorf (Goethe-Universität Frankfurt, Mobilitätsforschung)
- Prof. Dr. Sven Linow (Hochschule Darmstadt, Wärmelehre und Umwelttechnik)
- Prof. Dr. Flurina Schneider (Wissenschaftliche Geschäftsführerin des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung sowie Goethe-Universität Frankfurt, Soziale Ökologie und Transdisziplinarität)
- Prof. Dr.-Ing. Iris Steinberg (Hochschule Darmstadt, Kreislaufwirtschaft)