Solaranlage mit Gebäude im Hintergrund

wissenschaftlicher Klimabeirat der Hessischen Landesregierung

Klimabeirat gibt Empfehlungen zur CO2-neutralen Landesverwaltung

Schon 2009 hat die Nachhaltigkeitskonferenz der Hessischen Landesregierung die CO2-neutrale Landesverwaltung ins Leben gerufen. Doch wie weit ist Hessen bisher gekommen? Und welche Maßnahmen sollte die Landesregierung ergreifen, um das Ziel tatsächlich und kosteneffizient zu erreichen? Der Wissenschaftliche Klimabeirat gibt Empfehlungen.

In einer Studie hat der Wissenschaftliche Klimabeirat der Hessischen Landesregierung durch das ifeu-Institut untersuchen lassen, wie weit Hessen beim Ziel, die Landesverwaltung bis 2030 netto-treibhausgasneutral zu organisieren, gekommen ist. Zudem wurde untersucht, wie das Land seine Ziele am wirtschaftlichsten erreichen kann und wie die Kompensationszertifikate, die das Land zum Ausgleich von Emissionen erwirbt, zu bewerten sind. 

„Der Wissenschaftliche Klimabeirat begrüßt, dass es eine klare Zielvorgabe gibt, die gesetzlich verankert ist. Diese Zielvorgabe hat Vorbildwirkung für Kommunen und Unternehmen. Umso wichtiger ist, dass das Land seinen Zielen auch gerecht wird. Dafür ist es zwingend notwendig, die Umsetzung zu stärken“, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Klimabeirates, Prof. Sven Linow. 

Handlungsbedarf bei Flächenreduktion, Sanierung und Energieträgerwechsel

Die Analysen zeigen, dass ein hoher Handlungsbedarf besteht: Im Vergleich zur Eröffnungsbilanz im Jahr 2008 wurde im Jahr 2021 eine Reduktion der THG-Emissionen von 65 Prozent ausgewiesen. Dieser Wert ist jedoch maßgeblich auf externe Effekte wie die Verbesserung des Bundesstrommixes, die Dekarbonisierung von Fernwärme, sowie zum Teil auch auf Kompensationszahlungen zurückzuführen. Ambitionierte Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierungen, die Änderung des Nutzerverhaltens und Energieträgerwechsel haben zwar zur Emissionsminderung beigetragen. Ohne Berücksichtigung der Marktinstrumente (wie den Ökostrombezug und Kompensationszahlungen) beläuft sich die Emissionsminderung für den Zeitraum von 2008 bis 2021 allerdings auf lediglich 18 Prozent. 

Die Landesregierung kompensiert seit 2018 die CO2-Emissionen, die durch Dienstreisen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entstehen. Die Kompensationszahlungen erfolgen durch den Erwerb von Zertifikaten und sollen spätestens 2045 enden. Neben den hohen Kosten erweist sich als problematisch, dass die Wirksamkeit von Kompensationszahlung fraglich ist. Trotzdem wird die Landesregierung ab dem Jahr 2030 Emissionen auch aus anderen Bereichen kompensieren müssen, um ihr verpflichtendes Ziel der Treibhausgasneutralität 2030 (kalkulatorisch) zu erreichen. 

Bei Fortschreibung der aktuellen Maßnahmen werden die Ziele verfehlt

Laut Analyse des ifeu-Instituts wird bei Fortschreibung der aktuellen Maßnahmen die Emissionsminderung gegenüber 2008 auch bis zum Jahr 2030 nur 65 Prozent betragen. Demnach würde das Ziel der treibhausgasneutralen Landesverwaltung im Jahr 2030 und auch im Jahr 2045 deutlich verfehlt. Ab dem Jahr 2045 sind keine Kompensationen mehr zulässig, um die nicht erfolgten Emissionsreduktionen auszugleichen. „Vor allem Gebäudesanierung, Energieträgerwechsel und Änderungen der Flächennutzung müssen entschieden vorangetrieben werden, um sich der Zielerreichung anzunähern. Besonders hervorzuheben ist, dass der gesamte Energieverbrauch für die Wärmeversorgung seit dem Jahr 2008 tendenziell ansteigt – ebenso die wärmeversorgte Fläche. Hier muss dringend eine Trendumkehr erzielt werden“, erklärte Ulrike Jordan, Professorin am Institut für Thermische Energietechnik der Universität Kassel und Mitglied des Wissenschaftlichen Klimabeirates.

Engagierter Klimaschutz lohnt sich auch finanziell

Dass diese Bemühungen sich für das Land nicht nur klimapolitisch, sondern auch finanziell auszahlen, zeigt die Studie ebenfalls auf. „Die teuerste Variante für das Land wäre eine Fortschreibung des Status quo. Setzt das Land hingegen auf Flächenreduktion, ambitionierte Sanierungsquoten und einen raschen Energieträgerwechsel, kann es bis zu 11 Prozent Ersparnis durch niedrigere Energiekosten und geringere Kosten für Kompensationen erzielen“, erklärte Prof. Sven Linow. 

Zudem warnt der Klimabeirat vor hohen Kosten und fehlenden Effekten durch die Kompensation: „Reale Klimaschutzeffekte von Kompensationszahlungen sind sehr fraglich und stark steigende Kosten für das Land sind zu erwarten. Landesmittel sollten in Maßnahmen vor Ort investiert werden, die wirken und dem Land Kosten ersparen“, forderte Prof. Linow. 

Die Autorinnen der ifeu-Studie projizieren bei mittlerer Preisentwicklung im Zeitraum von 2030 bis 2045 Kompensationskosten für das Land von insgesamt 301 Mio. Euro.  

Maßnahmenvorschläge des Klimabeirates

Der Wissenschaftliche Klimabeirat empfiehlt basierend auf der ifeu-Analyse folgende sechs Strategien, um sich der Zielerreichung anzunähern:

  1. Verbessere Operationalisierung der Zielsetzungen, um die Umsetzung zu fördern 
    Zusätzlich zu den gesetzten Zielen und Verpflichtungen sollten verbindliche und operationalisierbare Ziele, Indikatoren und Meilensteine eingeführt werden. Die Zuständigkeiten für die Zielerreichung sollten klarer und breiter verteilt werden, bspw. durch Klima- und Energiemanager in den Ressorts.
  2. Flächenreduktion und Suffizienz
    Bei der Flächenentwicklung sollte eine Trendwende eingeleitet werden. Eine Reduktion der Bürofläche bis 2035 um 30 Prozent sollte, wie im HKlimaG und im Klimaplan Hessen vorgesehen, erreicht werden. Es braucht eine gezielte Entkopplung von Personalentwicklung und Flächen- bzw. THG-Emissionsentwicklung.
  3. Erhöhung der Sanierungsquote und der Sanierungsqualität 
    Die Steigerung der Sanierungsrate und damit verbunden eine hohe Sanierungstiefe sollten zur obersten Priorität werden, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Zunächst sollten durch den Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) die am wenigsten effizienten Gebäude, die sogenannten "Worst Performing Buildings" (WPB) identifiziert und saniert wer-den. Dies sollte Teil des Sanierungsfahrplans sein, der laut Hessischem Klimagesetz bis En-de 2026 vorgelegt werden muss.
  4. Beschleunigung des Energieträgerwechsels 
    Neben der Gebäudesanierung ist es essenziell, dass der Energieträgerwechsel schnell vonstattengeht und der Erdgasverbrauch minimiert wird. Durch eine Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung könnten Synergien genutzt werden. Darüber hinaus sollten die verfügbaren Potenziale an Gebäuden zur Produktion von Solarstrom vollständig genutzt werden.
  5. Fuhrpark umstellen und Anreize für Beschäftigte entwickeln
    Um Klimaziele zu erreichen, muss die Antriebswende hin zur Elektromobilität beim Fuhrpark vorangetrieben werden. Möglich sind zudem eine gezielte Verkleinerung des Fahrzeugbestands durch Pooling innerhalb der Landesverwaltung und die Einführung innovativer Mobilitätslösungen in Kooperation mit Kommunen.
  6. Alternativen zu Flugreisen unterstützen 
    Dienstreisen verursachen nur einen Anteil der THG-Emissionen im öffentlichen Sektor von insgesamt knapp 10 Prozent. Innerhalb der Dienstreisen sind Flugreisen für mehr als 70 Prozent der THG-Emissionen verantwortlich, überwiegend verursacht an den Hochschulen. Klare Zielvorgaben über den Hochschulpakt und Verwaltungsvorschriften, Anreizsysteme für Reisen mit dem ÖPNV und eine verbesserte digitale Infrastruktur, können hier zu einer Reduzierung beitragen.

„Eine Verdopplung der finanziellen Mittel sowie eine deutliche Erhöhung der Personalkapazitäten für die energetische Gebäudesanierung sind notwendig, um sich den Zielen der CO2-neutralen Landesverwaltung anzunähern und bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Das sind Investitionen, die sich für das Land langfristig auch finanziell lohnen“, erklärte Prof. Ulrike Jordan abschließend. 

Über den Klimabeirat:

Der Wissenschaftliche Klimabeirat hat die Aufgabe, die Landesregierung unabhängig zu Klimaschutz und Klimaanpassung zu beraten. Grundlage ist das Hessische Klimagesetz. Fünf Professorinnen und Professoren sind für fünf Jahre berufen und ehrenamtlich tätig:

  • Apl. Prof. Dr. Ulrike Jordan (Universität Kassel, Solar- und Anlagentechnik)
  • Prof. Dr. Martin Lanzendorf (Goethe-Universität Frankfurt, Mobilitätsforschung)
  • Prof. Dr. Sven Linow (Hochschule Darmstadt, Wärmelehre und Umwelttechnik)
  • Prof. Dr. Flurina Schneider (wissenschaftliche Geschäftsführerin des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) sowie Goethe-Universität Frankfurt, Soziale Ökologie und Transdisziplinarität)
  • Prof. Dr.-Ing. Iris Steinberg (Hochschule Darmstadt, Kreislaufwirtschaft)

Kontakt

Die Geschäftsstelle des Wissenschaftlichen Klimabeirates der Hessischen Landesregierung leitet Ihre Anfragen an die Mitglieder des Klimabeirates weiter.

Geschäftsstelle Klimabeirat Hessen

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